Sonntag, 10. Januar 2010

Verstümmelung weiblicher Genitalien (Repost Februar 2007)

Der Bundestag befasste sich in seiner 79. Sitzung am 1. Februar löblicher Weise mit dem Problem der weiblichen Genitalverstümmelung. Immer wieder wird betont, dass diese barbarische Prozedur, die Millionen Frauen und Mädchen über sich ergehen lassen mussten, nichts mit dem Islam zu tun hat, obwohl ihre Verbreitung wie zufällig mit dem Herrschaftsbereich des Islam zusammenfällt. Auch die Rednerinnen im Bundestag wurden nicht müde zu erklären, dass ranghohe muslimische Geistliche in einer gemeinsamen Erklärung in Kairo festgestellt hätten, dass die Genitalverstümmelung nicht mit dem Islam vereinbar sei usf. Da bin ich aber beruhigt!
Bedeutet das nun, dass es im Islam eine einheitlich ablehnende Haltung gegenüber weiblicher Beschneidung gibt? - Leider nein.
Werfen wir einen Blick auf die Homepage www.islam-qa.com, welche die wahabitisch-salafistische Form des Islam repräsentiert. Wahabismus ist gerade in Saudi-Arabien weithin verbreitet. Islam-QA ist ein Archiv islamischer Rechtsgutachten, aus dem sich die auf diesem Blog bereits thematisierte Internetpräsenz www.muslima.de.ms als wahabitischer Ableger in Deutschland munter bedient und sich gerade auch an deutsche Islam-Konvertitinnen richtet. Islam-QA erklärt zur Beschneidung:
Question:
Is female circumcision sunnah or a bad practice? I read in a magazine that female circumcision in any form is a bad practice that is harmful from a medical point of view, and that it may sometimes lead to sterility. Is this correct?

Answer:
Praise be to Allaah.
Circumcising females is sunnah; it is neither a bad practice or harmful, if it is done within moderation. When extreme forms of female circumcision are carried out, harm may result.

Fataawa al-Lajnah al-Daa?imah, 5/120
Direktlink
Für wahabitische "Gelehrte" ist im Bezug auf die Frau nur wichtig, dass der Mann die absolute Kontrolle über sie behält. Daher müssen sie Frauen die Rechte und Freiheiten vorenthalten, die für Männer absolut selbstverständlich sind, wie etwa eine selbstbestimmte und lustvolle Sexualität dank intakter Genitalien.
Schade, dass das keine einzige der Rednerinnen vom 1. Februar wusste. Natürlich spottet die Realität der oft gehörten, immer wieder geglaubten Behauptung, die Verstümmelung des weiblichen Genitals habe nichts mit dem Islam zu tun:
"Von den vier sunnitischen Rechtsschulen (Maddhab) befürworten zwei die Genitalbeschneidung an Frauen (Malikiten und Hanbaliten); die Schafiiten halten sie sogar für eine religiöse Pflicht. In Ländern mit schafiitischer Rechtsschule ist sie deshalb auch allgemein verbreitet. Die Hanafiten lehnen die Beschneidung von Frauen ab." (Quelle: Wikipedia)
Aber das Mantra der Islamversteher erschallt ganz undifferenziert, wenn es an heikle und unangenehme Themen geht, die Kritik am Islam evozieren könnten.
Auszüge aus dem Plenarprotokoll:

Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen:
„Ich denke, darin ist sich der gesamte Bundestag heute einig: Die Zeiten, in denen Menschenrechtsverletzungen an Frauen als Ausdruck einer bestimmten Kultur oder Religion von unserer Gesellschaft, ja auch von vielen in diesem Hause für hinnehmbar gehalten wurden, sind ein für alle Mal vorbei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Übrigens hat auch eine angesehene islamische Instanz, der Großmufti von al-Azhar, weibliche Genitalverstümmelung kürzlich zu einem strafbaren Verbrechen erklärt, das gegen die höchsten Werte des Islam verstößt. So viel zur Religion.
Michaela Noll, CDU/CSU:
„Diese Art der Verstümmelung ist durch nichts zu rechtfertigen, weder durch kulturelle noch durch religiöse Gründe. Es gibt keine Religion, die sie vorschreibt.
„Ich bin natürlich froh, dass in Kairo mittlerweile diese Sitzung stattgefunden hat. Es kann sein, dass das, was die islamischen Gelehrten gesagt haben, eine Signalwirkung hat. Diese Botschaft muss aber erst einmal in 28 Ländern auch verbreitet werden. Erst dann haben wir wirklich einen Anfang gemacht. Wir müssen die Menschen vor Ort aber auch in die Lage versetzen, Traditionen und Normen kritisch zu analysieren und zu hinterfragen. Solange in den Dörfern Prediger aufstehen und das, was sie sagen, mangels Bildung unkritisch geglaubt wird, weil man es nicht besser weiß, können wir meiner Meinung nach auf internationaler Ebene zwar alles versuchen, aber wir werden scheitern.“
Dr. Kirsten Tackmann, DIE LINKE :
„Auch in Europa - das ist schon erwähnt worden - müssen wir uns mit Genitalverstümmelungen auseinandersetzen. Circa 30 000 Mädchen und Frauen sind davon bedroht oder wurden bereits dadurch verletzt. Selbst in Deutschland werden vermutlich Genitalverstümmelungen vorgenommen. Über die Beteiligung von hier niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten wissen wir viel zu wenig. Über die Rolle dieser Gruppe sind schon Ausführungen gemacht worden, denen ich mich gerne anschließen möchte.

Erfreulicherweise wächst der Widerstand weltweit, er wird auch immer wirkungsvoller. Auf die Konferenz in Kairo ist bereits hingewiesen worden. Von höchsten Rechtsgelehrten und Religionsführern aus islamisch geprägten Staaten Afrikas ist dort festgestellt worden, dass man den Koran zur Begründung von Genitalverstümmelungen nicht heranziehen kann. Einstimmig wurde von der Konferenz bestätigt, dass die weibliche Genitalverstümmelung mit dem Islam unvereinbar ist. Auf dieser Grundlage ist es nun endlich möglich, gegen diese religiösen Rechtfertigungsversuche vorzugehen.“
Sibylle Pfeifer, CDU/CSU:
„Einige Länder haben die Menschenrechtscharta unterschrieben; etliche sind im Menschenrechtsrat vertreten. Viele Länder in Afrika haben Gesetze erlassen. Aber Papier ist geduldig; das wissen wir.

Ich hoffe, dass das Papier, das im November von den islamischen Gelehrten verabschiedet worden ist, nicht genauso geduldig ist. Es kommt einer Fatwa gleich; das heißt, es ist ein Gesetz. Aber wie gesagt: Gesetze hin, Gesetze her; Papier ist geduldig.“
Renate Gradistanac, SPD:
„Wir begrüßen, dass die Bundesärztekammer eine Empfehlung für Ärztinnen und Ärzte herausgegeben hat; denn diesen mangelt es oft an Erfahrungen mit beschnittenen Patientinnen. In Kairo hat zudem eine Konferenz stattgefunden, auf der sich die Islamgelehrten darauf verständigt haben, die Beschneidung bzw. die Verstümmelung von Frauen zu ächten. Wenn wir das heute mehrmals betonen, dann - so hoffe ich - hat das eine Wellenwirkung.“
Stellt man den fortgeschrittenen Realitätsverlust in Rechnung, der aus diesen Zeilen spricht, dann sieht es im Kampf gegen Genitalverstümmelung eher düster aus.

P.S.: Meines Wissens befindet sich obige fatwa bislang noch nicht als deutsche Übersetzung auf www.muslima.de.ms. Das liegt vermutlich daran, dass einigen der dummen Gänse dort vielleicht doch noch ein Licht aufgehen würde, wenn sie davon hörten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen